Die Friesische Freiheit
"Eala Frya Fresena – Seid gegrüßt, freie Friesen!"
So lautete der Gruß der stolzen Friesen im Mittelalter. Und die Friesen waren wirklich frei! Bedingt durch die Natur ihres Lebensraumes zwischen Meer und Moor war es ihnen gelungen, Begehrlichkeiten auswärtiger Grafen immer wieder abzuwehren. Im Kampf gegen die Normannen hatten sie sich und der übrigen Welt bewiesen, dass gemeinschaftliches Handeln auch ohne Hilfe von außen zum Ziel führen kann. So setzten sie sich nun gegen die Grafen aus Sachsen und Westfalen, die hier ihre Herrschaft etablieren wollten, erbittert zur Wehr. Manch einen hohen Herrn und seine Heerscharen hat das Gelüst auf Friesland das Leben gekostet. Ab 1100 etwa konnten die Friesen sich „friesch und fry“ nennen.
Die Selbsthilfe gegen die Normanneneinfälle und die Verteidigung gegen die Gefahr der Unfreiheit gab den Friesen ein starkes Selbstbewusstsein, das sich auch beim Deichbau bewährte. Nur durch gemeinsames Handeln und die Verantwortlichkeit aller war es möglich, den Seedeich zu errichten und – was genauso wichtig war – ihn zu erhalten. Ein einziger nachlässiger Landbesitzer hinter dem Deich konnte Hunderte von Menschen in Elend und Tod stürzen, wenn er das Deichstück, für das er verantwortlich war, nicht hegte und pflegte oder die Siele, die das Land entwässerten, nicht in Ordnung hielt.
Die Friesen entwickelten seit der Mitte des 12. Jahrhunderts ein Gegenmodell zur sonst in ganz Europa üblichen feudalen Gesellschaftsstruktur. Zwar war der König ihr Herr. Aber dann kamen auch schon sie, die friesischen Bauern. Sie waren freie Hofbesitzer, die ihren eigenen Boden bewirtschafteten.
Friesland teilte sich in viele Länder bzw. Landesgemeinden, „universitates terrarum“ oder „meene menten“ genannt. Wie man auf der Karte von „Tota Frisia“ sehen kann, ergab sich ein buntes Bild von politischen Einheiten, deren Namen uns zum Teil auch heute noch auf der Landkarte begegnen.
An der Spitze dieser praktisch autonomen Länder standen „redjeven“ oder „grietmannen“ genannte Richter. Sie kamen aus den Familien mit Grundbesitz und Vermögen der Kirchspiele, die zu der Landesgemeinde gehörten und wurden jährlich abgelöst. Sie sprachen Recht innerhalb der Landesgemeinde. Mit der Setzung dieses Landrechts sicherten sie den immer wieder gefährdeten Frieden. Dass die Friesen sich untereinander auf ein für alle gültiges Recht verständigen konnten, gehört auch zu ihren großen Gemeinschaftsleistungen. Es gibt keine europäische Landschaft, in der im Mittelalter die Überlieferung des geschriebenen Rechts so dicht ist wie in Friesland.
Dieses Recht galt für alle gleich, auch für diejenigen, die kein Land besaßen und daher nicht politisch handeln konnten. Es gab, für ganz Friesland verbindlich, 17 Küren (= Gesetze) und 24 Landrechte. Sie bildeten nach dem 11. Jahrhundert den Ausgangspunkt für Rechtserzeugnisse, die im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts in den Landesgemeinden niedergeschrieben wurden und uns heute manchmal recht kurios erscheinen, aber auch viel über das Zusammenleben der Menschen im Mittelalter erzählen. So bestand jede Strafe, mit nur ganz wenigen Ausnahmen wie Kirchenbrandstiftung, aus einer Geldbuße und wer Geld hatte, konnte sich nach einer genau festgelegten Bußtaxe freikaufen. Wer nicht zahlen konnte, musste sich Geld leihen oder bekam die Strafe körperlich zu spüren.
Das ist das vierzehnte Landrecht:
"Wenn jemand einen anderen ins Wasser taucht oder böswillig mit einer Flüssigkeit übergießt oder ohne dessen Verschulden bindet oder sich etwas unrechtmäßig aneignet oder (einem) am Sonntag eine blutende Wunde (schlägt), so ist die Buße für jede dieser (Taten) fünfzehn Unzen, es sei denn, dass er es leugne; dann schwöre er sich nach dem Rechte aller Friesen mit vier Eiden auf die Reliquien ….frei." (Das Hunsingoer Recht, 13. Jh.)
Sind Sie neugierig geworden auf die "Friesische Freiheit"? Mehr darüber erfahren Sie in dem Informations-Faltblatt "Upstalsboom - Friesische Freiheit", hrsg. von der Ostfriesischen Landschaft. Hier kommen Sie zum Download:
Die Friesische Freiheit - das Autoschild
An der Autobahn 28 und 31 stehen zwei Hinweisschilder. Das Besondere an ihnen ist, dass sie nicht auf Sehenswürdigkeiten oder Landschaftstypen hindeuten. Sie zeigen das kulturhistorische Alleinstellungsmerkmal der "Friesischen Freiheit". Darauf zu sehen ist ein Häuptling aus dem 13. Jahrhundert am Upstalsboom-Denkmal nahe Aurich. Der Grußspruch "Eala Frya Fresena - Seid gegrüßt, Ihr freien Friesen" gilt bis heute. Die Schilder wurden zur Erinnerung an die über 800 Jahre alte Friesische Freiheit errichtet.